Ein Vorbild für Wälder in Deutschland und Europa
Dieser Waldbauansatz, auch „integrativer Prozessschutz“ genannt, wird seit Mitte der 1990er Jahre u.a. in den Wäldern der Stadt Göttingen, Lübeck und Uelzen angewendet. Auf mehreren tausend Hektar Wald wurde die Bewirtschaftung der Wälder so umgestellt, dass mit einem Minimum an Arbeitskraft, Energie und Kapital, ein möglichst gutes ökonomisches, ökologisches und soziales „Betriebsergebnis“ erreicht werden soll (Minimalprinzip der Ökonomie).
Referenzflächen im Wald dienen dabei als Vergleich, wie naturnah die forstwirtschaftliche Nutzung ist. Drei Indikatoren zeigen zudem an, wie zukunftsfähig der Wald sein wird:
- der Totholzanteil,
- der Anteil der starken, alten Bäume und
- das Ausmaß der Wertholzerzeugung.
Einige große Städte in Deutschland haben in ihren Wäldern dieses Konzept inzwischen übernommen: Berlin, München, Bonn, Saarbrücken, Wiesbaden, Hannover und Göttingen. Zur wissenschaftlichen Bearbeitung der Lübecker Wälder wurde auch die Naturwald-Akademie nach Lübeck geholt, die dort 2016 gegründet wurde. Der Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirates der Akademie ist der derzeitige Leiter des Stadtwaldes, Knut Sturm.
Drei Leitideen bestimmen das Lübecker Konzept:
- Naturnähe: Die Wirtschaftswälder sollen sich in die risikoarme und produktive Erscheinungsform der natürlichen Waldgesellschaft entwickeln
- Ökologisches Ertragsniveau: Die Leistungsanforderungen an den Wald dürfen die natürliche Leistungsfähigkeit nicht überschreiten
- Minimierung: Der wirtschaftliche Einsatz erfolgt nach dem Prinzip des minimalen Eingriffs und dem Prinzip der Vorsicht
Das Lübecker Konzept wurde und wird mitgetragen von großen Umweltverbänden wie Greenpeace, BUND/Friends of the Earth und Robin Wood. Es erhielt Auszeichnungen unter anderem von der Europäischen Papierindustrie (1996) und vom Bundesumweltministerium (1998).
Auch international gilt das Lübecker Konzept als vorbildlich im Sinne der Beschlüsse von Rio de Janeiro 1992.
Der Leiter des Stadtwaldes wurde seit 1994 inzahlreiche Länder zum Vortrag und Anleiteneingeladen (wie z. B. nach Russland, China,Finnland, Schweden, Kanada, Chile undSpanien). Mehrere Tausend forstliche Fachleutehaben seitdem Lübeck besucht. Aus diesenBegegnungen sind zahlreiche wissenschaftlicheArbeiten entstanden.
Die Grundlagen zur Naturnahen Waldbewirtschaftung
- Naturnahe Waldbewirtschaftung erfordert qualifizierte Entscheidungen. Deshalb gilt der Grundsatz: mehr Forstfachleute, statt mehr Maschineneinsatz.
- Naturnahe Waldbewirtschaftung braucht seltene Pflegeeingriffe.
- Naturnahe Waldbewirtschaftung unterstützt die natürliche Verbreitung von heimischen, standortgemäßen Baumarten, die widerstandsfähiger gegen Störungen wie Sturm, Trockenheit oder Borkenkäferbefall sind. So wird das finanzielle Risiko des Betriebs gesenkt.
- Naturnahe Waldbewirtschaftung setzt auf Einzelstammnutzung und Qualität statt Quantität bei regelmäßigen Erträgen.
- Der durch die naturnahe Waldbewirtschaftung geförderte Mischwald erlaubt flexibler auf die Nachfragen am Holzmarkt einzugehen und erzielt dadurch bessere Preise.
Die Natur ist der beste Förster.