Auf den Spuren der Giganten: Mammutbaum-Radtour am 18. Oktober

14 Naturbegeisterte erkundeten die beeindruckenden Mammutbäume der Region

Bei strahlendem Herbstwetter führten wir von der Wald Initiative Renningen (WIR) gemeinsam mit dem ADFC Renningen – Rutesheim – Weil der Stadt eine besondere Radtour durch die herbstlich verfärbten Wälder und Auen der Region durch. 14 Teilnehmende folgten der Einladung von Martin Tröster (ADFC) und Jörg Stenner (WIR), um den majestätischen Mammutbäumen auf die Spur zu kommen.

Eine königliche Bestellung mit Folgen

Die Geschichte der Mammutbäume in unserer Region beginnt vermutlich mit einem amüsanten Übersetzungsfehler: König Wilhelm I. von Württemberg bestellte 1864 bei Händlern Samen der gigantischen Bäume aus Nordamerika. Bestellt war ein „Lot“ (etwa 15 Gramm), geliefert wurde jedoch „a lot“ – und damit sage und schreibe 100.000 Samen! Diese wurden in der Wilhelma großgezogen und nach einigen Jahren im gesamten Königreich Württemberg an die Forstämter verteilt. Die sogenannte „Wilhelma-Saat“ ist bis heute in unseren Wäldern präsent.

Bei jungen Solitär-Bäumen reicht das Nadelkleid bis zum Boden.

Drei Arten von Mammutbäumen

Während der Tour erfuhren wir, dass es drei verschiedene Arten von Mammutbäumen gibt: Den in unserer Umgebung weit verbreiteten Riesenmammutbaum (Sequoiadendron giganteum), den Küsten-Mammutbaum (Sequoia sempervirens), der auf dieser Tour nicht zu sehen war, sowie den Urwelt-Mammutbaum (Metasequoia glyptostroboides). Letzterer hat eine besonders faszinierende Geschichte: Lange Zeit war er nur aus Versteinerungen bekannt und galt als ausgestorben. Er lebte bereits vor dem Kometeneinschlag, nach dem viele Arten verschwanden. Erst 1941 wurde er im Himalaya wiederentdeckt – eine biologische Sensation! Zwei Exemplare dieser „lebenden Fossilien“ konnten wir auf unserer Tour auf der Gemarkung Renningen bewundern.

Sternförmige Anordnung in Hemmingen

Die 160 Jahre alten Riesenmammutbäume bei Hemmingen

Ein besonderer Höhepunkt unserer Tour war eine Stelle in Hemmingen, wo ursprünglich vermutlich 14 oder 16 Mammutbäume aus der Wilhelma-Saat gepflanzt worden waren. Heute stehen dort noch elf Exemplare sowie drei Bäumstümpfe. Beim Nachzählen der Jahresringe eines Stumpfes stellten wir fest, dass der Baum um die Jahrtausendwende umgefallen sein muss – möglicherweise beim verheerenden Sturm Lothar. Beeindruckend war die sternförmige Anordnung mit vier Exemplaren in der Mitte. Die Bäume ragten bereits von weitem aus dem umgebenden Wald heraus – ein imposanter Anblick, der uns zum Verweilen und zur Vesperpause einlud.

Doktor Wald und seine Heilkraft

Bei der Rast in Hemmingen hörten wir ein Gedicht von Förster Helmut Dagenbach aus dem Jahr 1986, das die heilsame Wirkung des Waldes auf humorvolle Weise beschreibt:

Wenn ich an Kopfweh leide und Neurosen,
mich unverstanden fühle oder alt,
und mich die holden Musen nicht liebkosen,
dann konsultiere ich den Doktor Wald.

Er ist mein Augenarzt und Psychiater,
mein Orthopäde und mein Internist.
Er hilft mir sicher über jeden Kater,
ob er von Kummer oder Cognac ist.

Er hält nicht viel von Pülverchen und Pille,
doch umso mehr von Luft und Sonnenschein.
Und kaum umfängt mich angenehme Stille,
raunt er mir zu: „Nun atme mal tief ein!“

Ist seine Praxis oft auch überlaufen,
in seiner Obhut läuft man sich gesund.
Und Kreislaufkranke, die noch heute schnaufen,
sind morgen ohne klinischen Befund.

Er bringt uns immer wieder auf die Beine,
das Seelische ins Gleichgewicht,
verhindert Fettansatz und Gallensteine.
nur – Hausbesuche macht er leider nicht.

Besondere Eigenschaften der Giganten

Die gesehenen Mammutbäume sind mit ihren 160 Jahren zwar bereits beeindruckend groß, befinden sich aber noch im „Baby-Alter“ – sie können über 2000 Jahre alt werden. Umso wichtiger ist ihr Schutz! Wir staunten über die besondere Borke der Bäume: Beim Anfassen fühlte sie sich weich an wie Kork. Mit einer Dicke von bis zu 30 Zentimetern macht sie den Baum nahezu feuerfest. Eine weitere Besonderheit: Mammutbäume können neben Samen auch Klone bilden – aus der Wurzel kann ein genetisch identischer Baum erwachsen. Die wunderschön geformten Zapfen, die auf dem Waldboden lagen, wurden bestaunt und fotografiert.

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Die Zapfen der Mammutbäume enthalten deren winzige Samen.

Insgesamt zählten wir auf unserer Tour 35 Riesenmammutbäume und zwei Urwelt-Mammutbäume – und nebenbei noch vier Eichhörnchen!

Vielfalt des Waldes und kritische Beobachtungen

Neben den Mammutbäumen gab es auf unserer gemütlichen 50-Kilometer-Tour noch viel mehr zu entdecken: Ulmen, die sich wieder ansiedeln, vitale Eschen sowie interessante Informationen zu Fichten, Douglasien, Eichen und Buchen. An einer Stelle beobachteten wir die Naturverjüngung von Buchen. Eine wichtige Erkenntnis: Würden die Wälder nicht bewirtschaftet, hätten wir bei uns vermutlich bald wieder flächendeckend Wälder mit vorwiegend Rotbuchen.

Kritisch diskutierten wir die Auswirkungen forstwirtschaftlicher Praktiken. Das Kahlschlagen und großflächige Befahren verdichtet den Boden irreversibel und vermindert seine Wasserspeicherfähigkeit um bis zu 90%. Dies wirkt sich negativ auf den Grundwasserspiegel aus und verhindert damit das Wachstum neuer Bäume. Wir stießen auf ein Schild, das vor „klimawandelbedingten Schäden“ warnte. In der Diskussion wurde deutlich: Viele Schäden sind nicht primär dem Klimawandel geschuldet, sondern Folge forstwirtschaftlicher Eingriffe. Die Rotbuche ist von der Forstwirtschaft als vorherrschende Baumart nicht gewünscht obwohl sie in der Naturverjüngung in weiten Teilen von ganz alleine ohne Anpflanzung wächst. Als Ersatz für die Fichte wird bei uns als Nadelbaum in immer stärkerem Maße die Douglasie (ursprüngliche Heimat: Westküste Nordamerikas – Regionen mit gemäßigtem Regenwald) angepflanzt. Außerdem setzt die Forstwirtschaft bei uns auch in starkem Maß auf die vermeintlich trocken- und dürreresistente Eiche. Um die gewünschten Baumarten im Forst anzusiedelbn werden nun verstärkt Kahlschläge gemacht, diese Kahlflächen trocknen den Waldboden aber insbesondere in den durch den Klimawandel einhergehenden Hitze- und Dürreperioden aus – damit werden die negativen Auswirkungen des Klimawandels auf den Waldboden, die Bäume aber auch auf das gesamte Ökosystem Wald, zusätzlich verstärkt. Die aktuell stattfindenden permanenten starken Durchforstungen in unseren umliegenden Wäldern verhindern die Bildung geschlossener Blätterdächer, die den Waldboden, insbesondere in den Sommermonaten, vor starker Austrocknung schützen würden.

Auch das Thema Mikroplastik sprachen wir an: Während ein Schild Wanderer bittet, keinen Plastikmüll im Wald zu hinterlassen, verursacht die Forstwirtschaft selbst Mikroplastik durch Wuchshüllen aus Plastik, die, wie wir bei der Tour gesehen haben, an vielen Stellen selbst nach Jahren nicht mehr abgebaut werden. Die Forschung weiß inzwischen, dass sich Mikroplastik im Boden (und hier im Waldboden) in tieferen Bodenschichten ansammelt, mit bisher völlig unbekannten Auswirkungen auf Natur und Mensch.

Fazit

Die Mammutbaum-Radtour war eine gelungene Verbindung von sportlicher Betätigung, Naturerlebnis und Wissensvermittlung. Wir kehrten nach etwa sechs Stunden nicht nur mit beeindruckenden Bildern der majestätischen Bäume zurück, sondern auch mit einem vertieften Verständnis für die Zusammenhänge im Ökosystem Wald und die Bedeutung nachhaltiger Waldbewirtschaftung.

2 Kommentare

  1. Wolfgang Schwarzmeier

    Hallo Jörg, u.a., am 19.10. hatte ich die ADFC-Tour „Schätze im Strohgäu“. 7 Teilnehmer waren von der denkmalartigen Anlage der Mammutbäume beeindruckt. Vielleicht kann man noch einen Hinweis auf den Grillplatz und die GPS-Daten der Anlage hinzufügen. Außerdem: ziemlich sicher wurden ursprünglich 16 Bäume gepflanzt. Gut sichtbar ist das innere Quadrat von 4 Bäumen. Wie im Balkenkreuz stehen 4 paarige Bäume im peripheren Quadrat. Über die Diagonalen waren weitere 4 Bäume in den Ecken des peripheren Quadrats gepflanzt. Obwohl inzwischen ein paar Bäume abgängig sind, wirkt die Anlage nach wie vor wie ein monumentales Denkmal.

  2. Hallo Wolfgang, danke für deinen Kommentar, werden WIR „verarbeiten“.
    Und ja, die Anlage ist schon beeindruckend – auch wenn die verbliebenen Mammutbäume dort ja immer noch im „Baby“ Alter sind.
    Wünsche weiterhin sicheres Radeln!