Der angegriffene Wald

Besorgniserregende Beobachtungen im Renninger Wald

Bei unseren jüngsten Rundgängen durch den Renninger Wald präsentierte sich der Wald-Initiative Renningen ein äußerst beunruhigendes Bild. Was wir vorfanden, lässt uns ernsthafte Sorgen um das Ökosystem unseres Waldes entwickeln und wirft Fragen zur aktuellen Forstwirtschaft auf, bei der offenbar wirtschaftliche Interessen über ökologische Notwendigkeiten gestellt werden.

Massive Eingriffe im Bergwald am Salenhäule

Besonders alarmierend ist die Situation im Bergwald am Salenhäule Richtung Lioba-Hütte. Hier wurden zahlreiche neue Rückegassen angelegt – in einem Waldgebiet, das in den letzten 20 Jahren davon verschont geblieben war. Diese Schneisen im Wald dienen zwar dem Abtransport des geschlagenen Holzes, verursachen jedoch gravierende und dauerhafte Schäden für das gesamte Waldökosystem.

Neu angelegte Rückegasse im Bergwald. Die tiefen Befahrungsspuren zeugen von massiver Bodenverdichtung, die das Wasserspeichervermögen des Waldbodens beeinträchtigt.
Einmündung einer weiteren Rückegasse. Durch das fehlende Kronendach ist der Boden der prallen Sonne ausgesetzt, was das Gedeihen junger Bäume erschwert.
Die Markierungen zeigen einige der neuen Rückegassen.

Das Problem liegt nicht nur in der optischen Zerschneidung des Waldes. Beim Anlegen und Befahren der Rückegassen mit schweren Forstmaschinen wird der Waldboden massiv verdichtet. Ein gesunder Waldboden besteht aus einem lockeren Gefüge, das wie ein Schwamm Wasser aufnehmen und speichern kann. Durch die Verdichtung geht diese wichtige Funktion verloren – mit weitreichenden Folgen:

  • Die Durchlüftung des Bodens wird stark eingeschränkt
  • Der verdichtete Boden kann kaum noch Wasser aufnehmen und speichern
  • Das Bodenleben wird beeinträchtigt oder zerstört
  • Die Wurzelentwicklung der Bäume wird gehemmt
  • Die natürliche Regeneration des Waldbodens wird Jahrhunderte dauern

An vielen Einmündungen der Rückegassen und an Wegesrändern sind zudem Schäden an Baumstämmen zu beobachten, die durch das Rangieren der Maschinen und durch Holzlagerungen entstanden sind. Diese Verletzungen schwächen die Bäume und machen sie anfälliger für Krankheiten und Schädlinge.

Schäden am Stamm durch Forstmaschinen

Verlust des geschlossenen Blätterdachs

Der Baumbestand im Gebiet am Salenhäule besteht mittlerweile überwiegend aus jungen Bäumen. Das ehemals geschlossene Blätterdach existiert nicht mehr. Dies hat weitreichende negative Konsequenzen für das gesamte Waldökosystem:

Ein intaktes Blätterdach reguliert das Waldinnenklima. Es sorgt für ausgeglichene Temperaturen und eine höhere Luftfeuchtigkeit. Ohne diesen Schutz heizt sich der Waldboden im Sommer stark auf und trocknet aus. Gerade in Zeiten des Klimawandels mit zunehmenden Hitzeperioden stellt dies eine ernsthafte Bedrohung dar.

Viele heimische Baumarten wie die Buche sind als sogenannte Schattenbaumarten auf ein geschütztes Waldinnenklima angewiesen. Ihre Jungpflanzen benötigen den Schatten des Kronendachs für eine gesunde Entwicklung. In den stark aufgelichteten Bereichen haben sie kaum Überlebenschancen.

Wir konnten während unserer Begehung auch Waldbereiche dokumentieren, in denen noch ein dichtes Blätterdach vorhanden ist und wenig durchforstet wurde. Diese Bereiche zeigen beispielhaft, wie ein naturnaher, gesunder Wald aussehen kann. Die Wald-Initiative Renningen setzt sich dafür ein, dass diese intakten Waldbereiche erhalten bleiben.

Waldgebiet im Begwald mit geschlossenem Blätterdach und intaktem Ökosystem

Die Eschen-Problematik

Im Renninger Wald sind zahlreiche Eschen vom sogenannten Eschentriebsterben betroffen. Diese Erkrankung wird durch den invasiven Pilz Hymenoscyphus fraxineus verursacht, der ursprünglich aus Ostasien stammt und seit etwa 2006 in Deutschland auftritt. Der Pilz befällt Blätter, Triebe und schließlich den Stamm der Eschen, was zum Absterben der Bäume führen kann.

Allerdings haben wir bei unseren Begehungen festgestellt, dass längst nicht alle Eschen betroffen sind. Besonders im Bergwald stehen viele Exemplare sehr gut da. Die Wissenschaft bestätigt unsere Beobachtung: Etwa 1-5% aller Eschen weisen natürliche Resistenzen gegen den Pilz auf. Diese widerstandsfähigen Individuen sind besonders wertvoll, da sie als Grundlage für den zukünftigen Eschenbestand dienen können.

Vor diesem Hintergrund ist es aus ökologischer Sicht absolut kontraproduktiv, vorsorglich alle Eschen zu fällen, wie es in manchen Waldgebieten praktiziert wird. Vielmehr sollten besonders widerstandsfähige Exemplare identifiziert und geschützt werden.

Im Hintergrund links sind vom Eschentriebsterben befallene, abgestorbene Bäume zu sehen, während die Eschen weiter rechts gesund erscheinen.
Hier ein weiteres Prachtexemplar

Douglasie – Der Problembaum

In unserem Wald befindet sich eine Baumschule für Douglasien – ein Nadelbaum, der ursprünglich an der Westküste Nordamerikas beheimatet ist. Die Douglasie wurde seit den 1950er Jahren verstärkt in deutschen Wäldern angebaut, da sie als schnellwüchsig und wirtschaftlich wertvoll galt. Sie wurde oft als „Wunderbaum“ angepriesen.

Unsere Beobachtungen zeigen jedoch ein anderes Bild: Die jungen Douglasien in der Pflanzschule weisen keinen besonders guten Wuchs auf. Dies deutet darauf hin, dass diese Baumart unter den lokalen Klimabedingungen nicht optimal gedeiht.

Douglasien-Baumschule
Douglasien mit Trockenschäden

Auch ältere Douglasien, die wir im Wald gesichtet haben (etwa 50 Jahre alt, siehe links), zeigen deutliche Stresssymptome. Ihre Kronen sind licht, mit nur wenigen grünen Ästen – ein klares Zeichen für Vitalitätsverlust. Obwohl sie in vollem Licht stehen und dadurch theoretisch schnell wachsen sollten, wirken sie geschwächt.

Die Erfahrungen mit der Douglasie im Renninger Wald bestätigen, was viele Waldökologen inzwischen betonen: Die einseitige Förderung nicht-heimischer Baumarten kann langfristig problematisch sein. Stattdessen sollte der Fokus auf einem vielfältigen Mix aus heimischen Baumarten liegen, die an die lokalen Bedingungen angepasst sind und ein stabiles Waldökosystem bilden können. Dazu gehören insbesondere Arten wie Rotbuche, Eiche, Ahorn, Linde und Hainbuche.

Kahlschlag mit fragwürdigen Methoden

Besonders erschreckend war für uns die Entdeckung eines großflächigen Kahlschlags. Durch GPS-Tracking haben wir die Fläche auf etwa 4.000 Quadratmeter geschätzt. Das gesamte Gebiet wurde flächig befahren und gemulcht – eine Praxis, die aus bodenökologischer Sicht höchst problematisch ist.

Der Unterschied zu den umgebenden Waldbereichen war unmittelbar spürbar: Auf der Kahlschlagfläche herrschten deutlich höhere Temperaturen, was die mikroklimatischen Auswirkungen solcher massiven Eingriffe verdeutlicht.

Der renommierte Waldexperte Gerald Klamer, mit dem wir schon früher durch den Hardtwald gelaufen sind, kritisiert diese Vorgehensweise scharf. Das flächige Befahren von Waldböden führt zu massiven und langfristigen Bodenschäden. In Zeiten des Klimawandels, in denen selbst etablierte Bäume unter Trockenstress leiden, ist ein behutsamer Umgang mit dem Waldboden besonders wichtig.

Obwohl einige Bereiche der Kahlschlagfläche mit jungen Bäumen bepflanzt wurden, bleiben viele Zwischenflächen unbepflanzt. Es ist fraglich, ob diese Maßnahme tatsächlich sinnvoll war. In einem natürlichen Prozess hätten sich ohne menschliches Eingreifen Bäume angesiedelt, deren Samen aus der unmittelbaren Umgebung stammen und die daher optimal an die lokalen Bedingungen angepasst sind.

Am Rande des Kahlschlags zeigen sich junge Buchen im Schatten der Mutterbäume – „Naturverjüngung“ ganz ohne Pflanzungen

Karte „Kahlschlag im Bergwald“

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Naturnahe Waldwirtschaft als Alternative

Die Wald-Initiative Renningen orientiert sich am Konzept der naturnahen Waldwirtschaft, wie sie etwa im „Lübecker Modell“ praktiziert wird. Dieses Konzept sieht deutlich seltenere Eingriffe in den Wald vor als die konventionelle Forstwirtschaft. Während derzeit jedes Jahr (2023, 2024 und erneut 2025) in den Waldbestand am Salenhäule eingegriffen wird, wären bei einer naturnahen Bewirtschaftung deutlich längere Ruhephasen vorgesehen.

Die Erfahrungen aus Lübeck zeigen, dass ein solcher Ansatz nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch sinnvoll ist. Die geringere Eingriffsintensität reduziert Kosten und Schäden, während die natürliche Waldentwicklung für stabile und widerstandsfähige Bestände sorgt. Der wirtschaftliche Ertrag kann langfristig sogar höher sein als bei intensiver Bewirtschaftung.

Müllproblematik im Wald

Ein weiteres Ärgernis ist der Plastikmüll, den wir bei unseren Rundgängen entdeckt haben. Es handelt sich vermutlich um Verpackungsmaterial, das von Waldarbeitern bei Pflanzaktionen zurückgelassen wurde. Dieser Müll zerfällt mit der Zeit zu Mikroplastik, das sich im Waldboden anreichert und das Ökosystem belastet.

Es ist widersprüchlich, dass einerseits Bürgerinnen und Bürger zu Flurputzeten und Wald-Cleanup-Days aufgerufen werden, während andererseits die professionellen Waldarbeiter selbst so achtlos mit dem Wald umgehen.

Fazit und Forderungen

Die Wald-Initiative Renningen fordert ein grundsätzliches Umdenken in der Bewirtschaftung unserer Wälder. Der Wald ist weit mehr als eine Holzproduktionsstätte. Er ist ein komplexes Ökosystem, das zahlreiche lebenswichtige Funktionen erfüllt – vom Klimaschutz über den Wasserhaushalt bis hin zur Biodiversität.

Wir fordern:

  1. Eine deutliche Reduzierung der Eingriffe in den Wald, insbesondere den Verzicht auf neue Rückegassen
  2. Den Erhalt geschlossener Kronendächer zum Schutz des Waldinnenklimas
  3. Den Schutz resistenter Eschen statt flächiger Fällungen
  4. Ein Umdenken beim Anbau nicht-heimischer Baumarten wie der Douglasie
  5. Den Verzicht auf großflächige Kahlschläge und flächiges Befahren des Waldbodens
  6. Eine konsequente Müllvermeidung bei forstlichen Arbeiten

Die Wald-Initiative Renningen wird die Entwicklung unseres Waldes weiterhin aufmerksam beobachten und dokumentieren. Wir laden alle Interessierten ein, sich unseren Waldbegehungen anzuschließen und sich für den Schutz unseres wertvollen Ökosystems einzusetzen.

Gemeinsam für einen gesunden und artenreichen Wald – heute und in Zukunft.

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